Ansicht von Çatal Höyük
Çatal Höyük

Abstract zum OPENBOOK
über die neolithische Stadt Çatal Höyük


Çatal Höyük oder auch Çatal Hüyük, dieser bemerkenswerte Ort, liegt in der Konya-Ebene in Anatolien/Türkei. Bemerkenswert deshalb, weil hier die - nach Auffassung vieler WissenschaftlerInnen -

  • älteste Stadt der Welt,
  • der grösste und besterhaltene Siedlungshügel der Jungsteinzeit und gleichzeitig
  • die älteste Stadtkultur der Welt

zu finden ist. Für die Kulturgeschichte der Menschheit hat Çatal Höyük eine weitaus größere Bedeutung als beispielsweise die Sieben Weltwunder, ist aber kaum bekannt. Die ältesten Schichten des Ost-Hügels sind unglaubliche 9400 Jahre alt! Die Bauweise der Häuser hat sich über einen Zeitraum von ca. 1000 Jahren nur gering verändert, d.h. hier war von Anfang an eine Stadtkultur.

Aufgrund einer Klimakatastrophe (Misox-Schwankung) wurde die Bauweise lediglich an kühlere Temperaturen angepasst, was den Untergang aber nicht aufhalten konnte. Der Ost-Hügel (7400-6200 v.u.Z.) wurde einfach aufgegeben. Ob die BewohnerInnen umgezogen sind oder ob andere Menschen den Platz gleich daneben besiedelten und den West-Hügel (6200-5200 v.u.Z.) begründeten, wo sie wieder ca. 1000 Jahre friedlich lebten, ist unbekannt. Der West-Hügel liegt heute ebenfalls verlassen da, ohne dass irgendwelche Spuren eines Krieges zu finden sind.

Wenn Sie sich die Bilder (rechte Spalte unten) anschauen, bedenken Sie, es ist eine Stadt aus der Steinzeit! Aber nirgends sind keulenschwingende, ihre Frauen an den Haaren hinter sich her ziehende Männer zu finden. Nirgends finden sich Spuren barbarischer Menschenopfer und die Menschen hausten auch nicht in Höhlen. Stattdessen finden sich planvoll angelegte Häuser mit kunstvollen Wandgemälden, wunderschöne Plastiken und eine Kultur der Mitmenschlichkeit, wie sie später nur noch in den abgelegensten Gebieten der Erde zu finden sind, jedenfalls nicht in Europa. Selbst schwere Wunden konnten so behandelt werden, dass es eine gute Überlebenschance gab. Ein höheres Maß an sozialer Kultur hat die Menschheit nie mehr erreicht.
Die Gemeinschaft Çatal Höyüks lebte dabei noch in der Tradition der Altsteinzeit, denn es wurde noch viel gejagt, obwohl die DOMESTIKATION von Tieren schon begonnen hatte und Schweine, Ziegen und Kühe gehalten wurden. Die TIERHALTUNG war jedoch noch nicht in TIERZUCHT übergegangen, was einen wichtigen Unterschied darstellt. Der Ackerbau bzw. Hackbau war längst erfunden. Die BewohnerInnen Çatal Höyüks lebten zu 80% von den Erzeugnissen des Hackbaus, einer Erfindung der SammlerInnen der ausgehenden Altsteinzeit. Das spätere Patriarchat trieb zwar die Technologien voran, die Menschheit aber verrohte.

Um nicht die Funde durch eine patriarchatsideologisch gefärbte Brille zu sehen, wie es die offzielle Forschung tut, müssen wir interdisziplinär die sicht- und lesbaren Indizien dieses regelrechten Krimis analysieren. An einfachen Beispielen zeige ich, wie traditionelle Einstellungen den Blick auf diesen äußerst ungewöhnlichen Ort verstellen. Verblüffend wird es, wenn nur eine einzige Denkgewohnheit in Frage gestellt wird und sich eine völlig neue Welt eröffnet, in der sich plötzlich alle Widersprüche in Luft auflösen - eine Welt, vor der sogar die türkische Regierung Angst bekam, und deshalb für lange Zeit die Grabung verbot. Das ist eine Welt, in der niemand herrscht, und kein Gottvater mit einem von ihm geborenen Mann die Frau zeugt oder eine Jungfrau zum Kinde kommt, sondern eine natürliche, selbstverständliche Lebensweise, die unserem evolutionär angeborenen Sozialverhalten folgt, der MATRIFOKALITÄT (=Matrilokalität und Matrilinearität), und daher eine Spiritualität hervorgebracht hat, in deren Zentrum zu Beginn die altsteinzeitliche Urmutter stand, die im Neolithikum zur Großen Mutter geworden ist. Wahrscheinlich ist auch Angst der Grund, warum Schulkinder nichts über diesen Ort erfahren und stattdessen lernen müssen, dass Zivilisation mit der Erfindung der Schrift beginne, die zur Zeit Çatal Höyüks noch nicht erfunden war.

Noch relativ harmlos war der Streit darüber, ob nicht Jericho die älteste Stadt gewesen sei. Dabei ist die Definition des Begriffes STADT äusserst schwierig. Aber Çatal Höyük als Stadt zu bezeichnen, wo sie nicht einmal Stadtmauern, Befestigungsanlagen oder gar ein Zentrum, geschweige denn Strassen oder nur Türen hat, ist immer noch sehr gewagt, denn tonangebende WissenschaftlerInnen lassen genau diese Eigenschaften als alleinige Merkmale gelten. Dennoch ist Çatal Höyük so herausragend in ihrer Zeit und in ihrer größeren Umgebung, dass selbst diese WissenschaftlerInnen nicht anders können, als diese frühe Zivilisation als "Jahrhundertfund" zu bezeichnen.

Die Bilder sind Rekonstruktionsversuche der Innenräume, die genau so hundertfach vorkommen und Wohnraum und Heiligtum zugleich sind. Fast jedes Haus ist eine Kultstätte, in der die Große Mutter verehrt wurde. Unter den Schlaf-Plattformen wurden auch die Toten bestattet: Die Menschen lebten mit und auf ihren Ahnen. Das ist in dieser Kurzfassung auch der von allen Seiten unbestrittene Stand der Forschung. Über alles weitere gehen die Meinungen extrem auseinander.

Vielleicht schaudert es Sie beim Betrachten der Bilder. Vielleicht empfinden Sie die Räume als Gruselkabinette und können sich nicht vorstellen, dass hier glückliche, friedliche Menschen gelebt haben. Auch die Vorstellung auf einem Friedhof zu wohnen, wird Ihnen vielleicht sehr unangenehm sein. Aber diese Menschen brauchten diese Symbolik und ihre Ahnen, um ihr Leben als Teil eines Zyklus zu verstehen. Das gab ihnen Sicherheit und wahrscheinlich kannten sie gerade deshalb auch keine Angst vor dem Tod, wie wir es gewohnt sind.

Die Gemeinschaft Çatal Höyüks "funktionierte" aus dem natürlichen Kontinuum heraus, wie es seit über 300.000 Jahren gelebt wurde. Sie war so nicht "geplant" oder "organisiert". Und nicht nur sie lebte so in dieser Zeit, sondern auch alle anderen Siedlungen des sog. Fruchtbaren Halbmondes, selbst noch des späteren Alten Europa. Ihnen allen ist gemeinsam, dass die Bilder eine andere Sprache sprechen, als sie uns vertraut ist. Der Grund dafür ist, dass seit Ende der Jungsteinzeit mit dem Patriarchat (= Herrschaft der Väter) eine neue Gesellschaftsform endgültig durchgesetzt wurde, die uns bis heute den Blick für unsere wahre Natur versperrt und den Weg zurück abschneidet.

Der Symbolkanon Çatal Höyüks ist in mindestens sieben figürliche Kategorien einteilbar, die auch schon auf den Bildern zu erkennen sind: Die Große Mutter, die Große Bärenmutter, ihre Töchter, gehörnte Tiere, Leoparden, Geier und Jagddarstellungen. Über ihre Bedeutungen ist in der Fachwelt ein Streit entbrannt, der aufgrund der besseren Argumente der neuen Sicht, geprägt durch die Archäologin Marija Gimbutas, auch bei manchen WissenschaftlerInnen zum Umdenken geführt hat. Aus der offiziellen Wissenschaft wird sie jedoch aufs Heftigste bekämpft, auf eine Weise, die erahnen lässt, dass weit mehr als die Suche nach Erkenntnis dahintersteckt.

Dass die Kultur Çatal Höyüks bis heute weiterlebt, hört sich zunächst unglaubwürdig an, doch uns ist immer noch die uralte Matrifokalität angeboren und wir leben täglich mit der uralten Bildersprache, wie es Marija Gimbutas aufzeigte. Die Symbole haben sich bis heute im Alltag unbemerkt tradiert. James Mellaart, der Entdecker und erste Ausgräber Çatal Höyüks, behauptete sogar, dass die Muster türkischer Webteppiche, Kelims, mit den Wandmalereien in Çatal Höyük übereinstimmen. Zwar wird ihm nachgesagt, dass er seine Beispiele gefälscht hätte, dennoch hat er vielen damit die Augen geöffnet für die Bilder auf den Kelims, die tatsächlich weit mehr zeigen als abstrakte Muster. Wir können uns selbst davon überzeugen. Vielleicht steigen auch in Ihnen Erinnerungen an die Kindheit auf, als Sie schon Figuren sahen, wo Erwachsene Ihnen einreden wollten, dass es 'nur' ein Muster sei.

Mellaart selbst erkannte und deutete die Bilder, die auch ihm so fremdartig erschienen, in besonderer Weise und gab damit der Matriarchatsforschung das gesuchte Material in die Hände, und er setzte unfreiwillig eines der Fundamente zu einer feministischen Archäologie. Ein Matriarchat - also "Mütterherrschaft" - gab es, das wissen wir heute, weder hier noch anderswo, doch Mellaart war trotzdem schon recht nah an der jungsteinzeitlichen Realität. Für Çatal Höyük können wir die Matrifokalität feststellen, die seit der Altsteinzeit das gute Überleben aller Menschen sicherte.

Bald nach der Entdeckung war Çatal Höyük zu etwas wie einer PilgerInnenstätte geworden, und der derzeitige Ausgrabungsleiter Ian Hodder schien dem zeitweilig Rechnung zu tragen, indem er zahlreiche Archäologinnen mit der Untersuchung gerade der bildlichen Darstellungen betraut hatte und auf der offiziellen Homepage von Çatal Höyük ein Diskussionsforum anbot. Doch seit einiger Zeit hat sich etwas verändert. Mit ziemlicher Heftigkeit werden nun alle diejenigen bekämpft, die über die Große Mutter von Çatal Höyük forschen, ob sie nun AnhängerInnen der Matriarchatsforschung sind oder nicht.
Mittlerweile entspricht die offizielle Interpretation wieder ganz dem Willen der türkischen Regierung. Man versucht krampfhaft zu beweisen, dass die Menschen in Patrilokalität, also im Patriarchat gelebt hätten. Matrifokalität wird für Çatal Höyük geleugnet und als ideologische Spinnerei hingestellt. Dabei sprechen die Befunde der Jungsteinzeit weltweit für etwas anderes und die offiziellen Studien sind unhaltbar.

Schon während meines Architekturstudiums begann ich mich intensiv mit dieser faszinierenden, unvorstellbaren Stadt zu beschäftigen. In den Jahren 1998 und 1999 hatte ich eine große Studienarbeit verfasst, die den Titel "Çatal Höyük - Interpretation am Scheideweg" trug und die ich an dieser Stelle schon damals als OPENBOOK veröffentlicht hatte.
Seitdem ist viel passiert. Çatal Höyük wurde weiter ausgegraben und die Öffentlichkeitsarbeit wurde vorangetrieben. Daher hatte ich mich entschlossen, daran weiterzuarbeiten, und sobald sich Neuigkeiten ergeben würden, diese einfließen zu lassen. Dieses OPENBOOK gibt es daher seit über 20 Jahren und wird ständig weiter- und umgeschrieben. Ich befördere seitdem immer wieder Ungeheuerliches zutage ... Höhepunkte waren z.B. die Landesausstellung 2007 in Karlsruhe, die sich mit der Jungsteinzeit Anatoliens beschäftigte oder eine Studie von 2019, die es an Wissenschaftlichkeit mangeln ließ, aber überall verbreitet wurde.

Lesen Sie nun ausführlich im OPENBOOK, das weiterhin den passenden Titel "Çatal Höyük - Interpretation am Scheideweg" trägt. Es ist nun aufgrund der immer weiter steigenden Datenmenge auf drei weitere HTML-Seiten verteilt.


© Gabriele Uhlmann


Die Fotos dieser Seite stammen aus dem Buch

'Die Entdeckung von Çatal Höyük - 
Der archäologische Jahrhundertfund' 
von Heinrich Klotz, München 1997 


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